Um es gleich vorwegzunehmen, dicke Pullover und Regenkleidung konnte die 29 – köpfige Reisegruppe während der gesamten 10 Tage in Schottland und Wales im Koffer lassen. Stattdessen waren Schatten und kühle Getränke gefragt. Schon der erste Abend in Edinburgh, wo am 9. Juli die Rundreise begann, begrüßte mit Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Der schottische Busfahrer hatte dafür eine einfache Erklärung: Der Schotte Murray hatte Wimbledon gewonnen. Da musste die Sonne einfach scheinen.
Die Gruppe erhielt bei einer Stadtrundfahrt im Abendlicht einen wunderbaren Eindruck der schönen Hauptstadt Schottlands mit ihren vielen kulturellen Angeboten, ihrer eindrucksvollen Architektur und den vielen bekannten Persönlichkeiten, die aus ihr hervorgegangen sind. Da bei dieser Rundreise keine Zeit für mehr blieb, war es ein Appetithappen für einen ausführlichen Besuch der Stadt auf den 7 Hügeln. Denn schon am nächsten Morgen ging es früh weiter nach Norden.
Und der Morgen im Bus begann mit einer Besonderheit der Fahrt, die uns an allen Tagen begleiten sollte. Fritz Pratschke, Organisator dieser Reise, beeindruckte die Reisenden mit seinem großen Detailwissen über die Schotten, ihre Bräuche, ihre Besonderheiten und den geo-wirtschaftlichen Gegebenheiten. So erfuhr man z.B. vom Nationalgericht Haggis (Lamminnereien und Blut) mit Nips (Turnips=Rüben) und Tatis (Potatoes=Kartoffeln), oder dass den 15 Mio. Schotten im Land rund 30 Mio. Schotten im Ausland gegenüberstehen, die im vergangenen Jahrhundert wegen Hungersnöten ausgewandert sind. Damit ließen sie häufig Freunde und Familie zurück, nahmen aber die Erinnerung an Geschichte und grandiose Landschaft mit.
Einen Eindruck der Geschichte erhielt die Gruppe beim Besuch von Schloss Stirling, einer wehrhaften Anlage aus dem 12. Jahrhundert, in deren Schatten zahlreiche Schlachten zwischen Schotten und Engländern tobten. Und die grandiosen Landschaften ließen auch nicht lange auf sich warten. Auf dem Weg nach Fort Williams begannen die Highlands mit ihren Lochs (Seen) und Glens (Tälern).
Nicht fehlen durfte natürlich ein Rundgang durch eine Whisky Distillery, wo das berühmte schottische „Wasser des Lebens“ gebraut wird. Der 1. Tag wurde mit der schönsten Übernachtung der Rundreise mit direkter Lage am Loch Leven gekrönt. Der nächste Tag hielt wieder Spektakuläres bereit – freier Blick auf die Spitze des Ben Nevis, mit 1.300 m höchster Berg der britischen Insel, der sich ansonsten immer in Wolken hüllt.
Es ging weiter zur ersten von drei Fährfahrten, dieses Mal zur Isle of Sky, eine Insel der inneren Hebriden, die auch Insel der Nebel genannt wird. Wir haben sie natürlich in gleißendem Sonnenlicht erlebt! Da an diesem Tag keine großen Entfernungen mehr zurückgelegt werden mussten, gab es einen Abstecher zum Eilean Donan Castle, das als das romantischste Castle in Schottland bezeichnet wird. Obwohl erst 1932 nach historischen Vorlagen wieder rekonstruiert, beeindruckte das Schloss durch seine detailgetreue Nachbildung aller Räume, die ein funktionierendes Schloss ausmachten. Die Küche war z.B. mit lebensechten Figuren, Speisen und Vorbereitungen für ein großes Festmahl zu bewundern.
Die Übernachtung nach dieser Exkursion fand in Kyle in einem pittoresk gelegenen Hotel statt, das durch seinen morbiden Charme mit langen verwinkelten Gängen und Nebengebäuden in Erinnerung bleiben wird. Manche konnten ihre Zimmer nicht finden, andere ihre Türen nicht abschließen. Aber das exquisite Menü am Abend und der sagenhafte Blick aufs Wasser entschädigten. So gestärkt ging es am 3. Tag weiter bis zur Spitze von Skye zu den Klippen von Kilt Rock mit grandiosem Blick auf die irische See. Im Fischerörtchen Portree stärkte sich mancher mit fangfrischem Fish & Chips. Von Uig ging es schließlich mit zweistündiger Fährfahrt zur Isle of Harris, bekannt durch den Harris Tweed. Die „Produzenten“ der dafür benötigten Wolle waren überall auf der nahezu baumlosen Insel der äußeren Hebriden zu sehen. Aber in Harris, wie auch im angrenzenden Lewis, gibt es weite Landstriche, die aufgrund des sauren Bodens selbst dafür nicht nutzbar sind. Hier wird nach alter Tradition Torf gestochen, der für die Hausfeuerung genutzt wird. Ansonsten gab es auf der Fahrt nach Norden viel Landschaft mit Seen und dem weiten Blick auf die irische See zu bewundern. Ziel des Tages, Stornoway, war der nördlichste Punkt der Rundreise ohne große Attraktionen, aber immerhin mit einer technischen Fakultät.
Der 4. Tag begann mit der Besichtigung der „Black Houses“, einfache Steinhäuser, in denen bis Mitte des 19. Jahrhunderts Menschen unter primitiven Bedingungen lebten. Da fiel es nicht schwer sich vorzustellen, dass viele ihr Heil in der neuen Welt suchten, zumal die „Crofters“ als Leibeigene immer der Willkür der englischen Landlords ausgesetzt waren. Der schottische Nationalstolz war live zu erleben, als die Fremdenführerin anhob, die Missachtung der schottischen Traditionen und die heutige Ausbeutung der schottischen Ölreserven durch die Engländer anzuklagen. Für das nächste Jahr ist ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands geplant. Egal wie es ausgehen wird – die meisten gehen davon aus, dass Schottland im Verbund Großbritanniens verbleibt – schon heute hat Schottland ein eigenes schottisches Parlament und schottische Banknoten. Nach dieser politischen Lektion ging es mit dem Schiff zurück aufs Festland nach Ullapool. Der Abend bot als Überraschung die Abschlussfeiern der Weltmeisterschaften im Skiff Wettrundern mit Tanz, Musik und viel guter Stimmung.
So hatte mancher Probleme, ausgeschlafen am nächsten Morgen um 8:00 Uhr in den Bus zu steigen zur langen Weiterreise nach Dumfries südlich von Glasgow. Auf dem Weg dorthin fuhr die Gruppe an Loch Ness (Nessie war nicht zu sehen, wahrscheinlich war es zu sonnig) und Loch Lomond, dem Naherholungsgebiet von Glasgow, vorbei. Bei dem Rummel wurde offensichtlich, dass die Reisegruppe sich in den zurückliegenden Tagen an Einsamkeit und wenige Menschen gewöhnt hatte. Der Abend in Dumfries wurde genutzt, um die Wirkungsstätten des schottischen Dichters Richard Burns (Verfasser der Nationalhymne „Auld Lang Syne“) zu besuchen, allen voran der Pub, der einst Burns zweites Zuhause war.
Der nächste Tag führte nach einem Abstecher in den schönen Lake District nach Liverpool. Alle waren sich einig, dass man nicht erwartet hatte, eine so lebhafte und kulturell interessante Stadt anzutreffen. Zwar war vielen bewusst, dass die Beatles ihren Weg aus Liverpool und dem Cavern Club in die Welt machten. Die touristische Erschließung der Docklands und die historischen Bauten der einst reichen Schifffahrts- und Handelsstadt waren aber für alle eine Überraschung.
Der 7. Tag schließlich brachte die Reisegruppe nach Aberystwyth, dem eigentlichen Ziel dieser Reise. Der Weg dorthin führte über Chester, eine der schönsten Städte Englands mit einem intakten historischen Stadtbild, mehrstöckigen Fachwerkhäusern, kleinen Gassen und quirligen Einkaufsstraßen.
Die nächsten zwei Tage standen ganz im Zeichen der Erholung, Treffen mit walisischen Freunden und kleinen Exkursionen. Wer seinen Badeanzug mitgebracht hatte konnte gar in der irischen See baden. Und dann hieß es auch schon wieder Abschied nehmen mit dem Versprechen wieder zu kommen.
Die Rückreise ließ in Powis Castle noch einmal die Herzen von Gartenliebhabern höher schlagen. Bei tropischen Temperaturen konnte man die weitläufigen Anlagen englisch/walisischer Gartenkunst bewundern. Der Bus war an diesem Tage mit seiner Klimaanlage beliebtester Zufluchtsort. „Das glaubt uns kein Mensch“, war eine der meist genutzten Aussagen dieser Reise. Und das bezog sich nicht nur auf das Wetter, sondern auf so vieles während dieser rund 1.600 km langen Busreise. Nur eines haben wir nicht mehr erlebt: Die Geburt des englischen Thronfolger Babys.
Bärbel Spathelf (Juli 2013)